Polyneuropathie
Unter einer Polyneuropathie versteht man die Schädigung der peripheren Nerven, die außerhalb des Gehirns oder des Rückenmarks verlaufen und beispielsweise Arme und Beine versorgen. Sind die Nervenfasern selbst von der Schädigung betroffen, spricht man von einer axonalen Polyneuropathie. Bei Befall der die Nerven umhüllenden Schutzschicht (Myelinscheide) besteht eine Markscheiden-Polyneuropathie. Zudem unterscheidet an zwischen einer raschen bzw. akuten Verlaufsform bei Krankheitsdauer unter vier Wochen und einem dauerhaften, chronischen Verlauf bei Beschweren seit über acht Wochen.
Polyneuropathie: Inhaltsverzeichnis
Ursachen Polyneuropathie
Die Ursachen der Polyneuropathie sind vielfältig. So spielen neben genetischen Faktoren auch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes eine Rolle. Des Weiteren zählt ein Vitamin-B-Mangel bei Fehlernährung durch Alkoholismus zu den auslösenden Faktoren. Darüber hinaus können nicht nur Tumor- und Infektionskrankheiten die peripheren Nerven schädigen, sondern auch bestimmte Medikamente und Gifte wie Blei, Quecksilber, Arsen, Lösungsmittel und Insektizide.
Symptome und Anzeichen
Polyneuropathien manifestieren sich anhand verschiedener Gefühlsstörungen. So kann es zum Auftreten eines Taubheitsgefühls (Hypästhesie) kommen, aber auch zu einem unangenehmen Kribbeln und brennenden Schmerzen (Parästhesien). Ebenso können Gangunsicherheit, Wadenschmerzen und Muskelzuckungen auftreten.
Diagnose
Das Verteilungsmuster der Gefühlsstörungen variiert je nach Art der Polyneuropathie und wird im Rahmen der klinischen Untersuchung exakt eruiert. Man unterscheidet einen distal-symmetrischen Typ mit beidseitigen strumpf- und handschuhförmigen Beschwerden, einen Multiplex-Typ mit diffusem, asymmetrischem Verteilungsmuster, einen proximalen Typ mit Sensibilitätsstörungen am Becken- und Schultergürtel sowie eine Polyradikulitis mit gürtelförmigen Gefühlsstörungen am Rumpf.
Weitere Auffälligkeiten in der klinischen Untersuchung umfassen neben den oben genannten Gefühlsstörungen einen aufgehobenen Lagesinn (Propriozeption) und ein gestörtes Vibrationsempfinden (Pallästhesie), die PatientInnen nehmen also das Vibrieren einer angeschlagenen Stimmgabel, die an den Innenknöchel gehalten wird, nicht mehr wahr. Die Reflexe an Armen und Beinen sind abgeschwächt oder erloschen. Zudem können die Muskeln der betroffenen Körperteile druckschmerzhaft sein. In Laboruntersuchungen müssen Blutzucker, Leber-, Nieren- und Schilddrüsenwerte sowie die B-Vitamine auf Auffälligkeiten untersucht werden. In der elektrophysiologischen Untersuchung der Nerven mittels Hautelektroden fällt eine verminderte Leitgeschwindigkeit auf. Bei der Untersuchung der Muskeln mit Nadelelektroden im Rahmen der Elektromyographie zeigt sich im fortgeschrittenen Stadium ein gelichtetes, atypisches elektrisches Entladungsmuster (verminderte Interferenz und Fibrillationen).
Für die richtige diagnostische Einordnung dieser Befunde ist die Angabe der Beschwerdedauer durch die PatientInnen überaus wichtig. So bestehen bei der diabetischen Polyneuropathie die Beschwerden seit über acht Wochen und sind meist strumpf- und handschuhförmig verteilt. Prinzipiell ist aber jedes der oben genannten Verteilungsmuster möglich. Auch bei sieben genetischen Formen von Polyneuropathien (Hereditäre motorisch-sensible Polyneuropathie, HMSN I-VII) finden sich ein chronischer Verlauf sowie eine distal-symmetrische Verteilung. Beim Guillaume Barré Syndrom als Beispiel einer Polyradikulitis besteht seit weniger als vier Wochen eine symmetrisch aufsteigende Lähmung, die an den Beinen beginnt und von erloschenen Beinreflexen begleitet wird. Zudem kann meist ein stattgehabter Atemwegsinfekt oder eine Infektion des Verdauungstraktes erfragt werden.
Differentialdiagnose
Andere periphere Nervenverletzungen, vom Gehirn ausgehende, zentrale Lähmungen, Verletzungen der Nerven am Austrittspunkt an der Halswirbelsäule (Armplexus-Läsionen), Verletzungen der Nerven an anderen Austrittspunkten der Wirbelsäule (Radikuläre Läsionen).
Therapie und Behandlung
Mit Ausnahme genetisch bedingter Polyneuropathien, die nicht ursächlich behandelt werden können, richtet sich Therapie nach der Behandlung der Grunderkrankung oder Beseitigung des krankheitsauslösenden Faktors, obgleich Schmerzen in jedem Fall mit Paracetamol oder Acetylsalicylsäure (ASS) behandelt werden. So ist bei der diabetischen Polyneuropathie die Optimierung der Blutzuckereinstellung vordringlich. Bei Beschwerden vor dem Hintergrund eines Alkoholabusus muss Vitamin B1 (Thiamin) zu Beginn als Infusion und im Verlauf dauerhaft in Form von Tabletten zugeführt werden. Bei Medikamenten oder Giften als Ursache der Beschwerden muss die Exposition verhindert werden, indem das Präparat abgesetzt oder die Gefahrenquelle einer Vergiftung identifiziert und behoben wird. Beim Guillaume Barré Syndrom ist die frühzeitige Gabe gentechnisch hergestellter Abwehrzellen ins Blut (Intravenöse Immunglobuline, IVIGs) vordringlich, um eine potentiell lebensbedrohliche Lähmung der Atemhilfsmuskulatur am Brustkorb zu verhindern.
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Quellen/Redaktion
Autor:
Medizinisches Review:
Derzeit in Bearbeitung
Quellen:
Gleixner, C. et al. (2016). Neurologie und Psychiatrie. Breisach: Medizinische Verlags- und Informationsdienste. S. 256-267.