Diphtherie
Bei der Diphtherie handelt es sich um eine akute, durch Bakterien ausgelöste Infektionskrankheit, die in erster Linie eine schwere Entzündung der oberen Atemwege verursacht und unbehandelt zum Tod führen kann. Neben dieser sogenannten Rachen- und Kehlkopfdiphtherie kommt es in selteneren Fällen zu örtlich begrenzten Haut- oder Wundinfektionen. Man spricht dann von einer Haut- oder Wunddiphtherie. Im Anschluss an derartige Lokalinfektionen kann sich die Giftwirkung der Bakterien im gesamten Körper ausbreiten und dadurch eine systemische Diphtherie auslösen (Einzelheiten siehe unter Symptomen und Komplikationen).
Bereits der Verdacht auf eine Diphtherieinfektion ist dem Gesundheitsamt durch den behandelnden Arzt namentlich zu melden (namentliche Meldepflicht laut Infektionsschutzgesetz).
Den einzig wirkungsvollen Schutz vor Ansteckung bietet die Schutzimpfung gegen das Bakteriengift, die nach einer sogenannten Grundimmunisierung im Säuglings- und Kleinkindalter regelmäßig aufgefrischt werden muss (siehe Einzelheiten unter Impfung).
Diphtherie ist weltweit verbreitet, tritt aber dank breit angelegter Impfkampagnen in westlichen Industrieländern nur noch selten auf, in anderen Teilen der Welt, vor allem in Indien, Indonesien und auf den Philippinen, aber auch im Baltikum zeigt sich eine mehr oder weniger gleich bleibende andauernde Häufigkeit von Erkrankungsfällen (Endemiegebiete). In langen Zeitabständen von 30 bis 50 Jahren treten in diesen Gebieten wiederholt Diphtherie-Epidemien auf, das bedeutet es kommt zu einem zeitlich und örtlich begrenzten starken Anstieg der Erkrankungshäufigkeit.
Diphtherie: Inhaltsverzeichnis
Ursachen Diphtherie
Verantwortlich für die Erkrankung sind toxinbildende (= giftbildende) Stämme des Bakteriums Corynebacterium diphtheriae (sehr selten auch Corynebacterium ulcerans). Das von ihnen gebildete Diphtherietoxin verursacht die typische Infektion der oberen Atemwege, schädigt aber auch Herzmuskulatur, Nerven und Nierengewebe (Einzelheiten siehe unter Symptome bzw. Komplikationen).
Es existieren ebenfalls Bakterien dieser Gattung, die kein Toxin produzieren und nur äußerst selten klassische Diphtheriesymptome auslösen. Sie werden aber zunehmend als Verursacher von Entzündungen der Herzinnenhaut (infektiöse Endokarditis) beobachtet.
Die einzig wichtige Ansteckungsquelle für Diphtherie stellen infizierte und akut erkrankte Menschen dar. Dabei erfolgt die Übertragung des Erregers in erster Linie durch Tröpfcheninfektion beim Husten, Niesen oder Sprechen, seltener auch mittels Schmierinfektion bei durch die Bakterien verursachten Haut- und Wundentzündungen.
Nicht jeder Kontakt mit dem Corynebacterium diphtheriae führt unweigerlich zur Infektion. Von 100 Personen, die dem Bakterium ausgesetzt sind, infizieren sich zwischen 10 und 20 (Kontagiositätsindex 0,1-0,2). Eine Infektion wiederum führt nicht automatisch zum Auftreten von Krankheitszeichen: eine bestimmte Anzahl Infizierter bleibt gesunde Keimträger und kann so den Erreger unwissentlich weitergeben. Die Ansteckungsfähigkeit, also der Zeitraum, in dem eine infizierte Person den Erreger auf sein Umfeld übertragen kann, steht und fällt mit der antimikrobiellen Therapie (= gegen Mikroorganismen gerichtet). Unbehandelte Personen sind in der Regel 2, seltener mehr als 4 Wochen lang ansteckend, unter Antibiotikatherapie reduziert sich diese Zeitspanne auf nur 2 bis 4 Tage.
Symptome und Anzeichen
Von der Ansteckung bis zum Auftreten möglicher Krankheitszeichen vergehen in der Regel 2 bis 7 Tage (Inkubationszeit).
Die Erkrankung beginnt zumeist allmählich mit Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Fieber bis 39°C und allgemeinem Krankheitsgefühl. Bei der Inspektion des Rachenraums fällt eine deutliche Entzündung der gesamten Rachenschleimhaut und insbesondere der Rachenmandeln auf (Pharyngitis / Tonsillitis). Charakteristisch für die Diphtherie sind grau-weißliche festhaftende Beläge auf den Mandeln, die mit der Zeit auf die umgebende Schleimhaut übergreifen und sich auf den gesamten Nasen-, Rachen- und Kehlkopfraum ausdehnen können. Bei dem Versuch, diese Pseudomembranen zu entfernen, kommt es zu Blutungen. Darüber hinaus schwellen die Halslymphknoten und häufig auch das umgebende Weichteilgewebe stark an.
Greift die Entzündung auf den Kehlkopf über, dominieren Heiserkeit und bellender Husten (Krupp) die Symptomatik (Laryngitis), außerdem besteht häufig Atemnot, die sich durch ein pfeifendes Geräusch beim Einatmen bemerkbar macht (inspiratorischer Stridor).
In schweren Erkrankungsfällen führt das Zusammenspiel von entzündlich bedingter Gewebeschwellung und ausgeprägter Entwicklung von Pseudomembranen zu einer akuten Verlegung der Atemwege (Atemwegsobstruktion) mit Erstickungsgefahr.
Ein weiteres Charakteristikum stellt der typische süßliche Geruch nach vergorenen Äpfeln dar, der vom erfahrenen Arzt bereits in einigem Abstand wahrgenommen werden kann.
Ist ebenfalls die Nase von der Diphtherieinfektion betroffen, leiden die Betroffenen an blutigem Schnupfen (Nasendiphtherie bei Säuglingen).
Neben der oben beschriebenen Symptomatik (Rachen- bzw. Kehlkopfdiphtherie) kann es im Bereich von Wunden oder vorbestehenden Hauterkrankungen zu örtlich begrenzten Infektionen mit Diphtheriebakterien kommen (Wund-/Hautdiphtherie, als Sonderform Nabeldiphtherie bei Säuglingen). Diese Lokalinfektionen findet man häufig in den Tropen oder seltener in westlichen Ländern bei Obdachlosen, Alkoholikern und Drogenabhängigen.
Kommt es zur Überschwemmung des gesamten Organismus mit Diphtheriebakterien treten schwere Allgemeinsymptome wie hohes Fieber, Erbrechen, starke Luftnot, Nervenlähmungen bis hin zum Kreislaufkollaps auf. Man spricht in diesem Fall von einer systemischen Diphtherie.
Diagnose
Aufgrund der typischen Symptomatik ist die klassische Diphtherieerkrankung relativ leicht zu diagnostizieren. Zur Sicherung der Diagnose entnimmt der behandelnde Arzt einen Abstrich unterhalb der Pseudomembranen oder aus den infizierten Wunden und lässt diesen im Labor untersuchen. Dort ist es innerhalb von 3 bis 4 Tagen möglich, das Diphtheriebakterium bzw. sein Toxin laborchemisch nachzuweisen.
Differentialdiagnose
Es existiert eine Reihe von entzündlichen Erkrankungen der oberen Atemwege, die eine ähnliche Symptomatik zeigen wie Diphtherie. Insbesondere akute Rachenmandelentzündungen werden von einer Vielzahl bakterieller und viraler Erreger verursacht. Beispiele hierfür sind: Streptokokkentonsillitis, Scharlach-Angina, Angina Plaut-Vincenti oder infektiöse Mononucleose.
Die Kehlkopfdiphtherie, die durch schwere Atemnot gekennzeichnet ist, ähnelt zudem stark einer durch bestimmte Viren verursachten Kehlkopfentzündung, die insbesondere im Kleinkindalter vorkommt. Diese Laryngitis subglottica wird daher auch als Pseudokrupp dem Echten Krupp bei Diphtherie gegenübergestellt.
Auch wenn Diphtherie heutzutage in westlichen Ländern nur noch selten auftritt, sollte man bei der Diagnosefindung zumindest daran denken.
Therapie und Behandlung
Schon bei Verdacht auf eine Diphtherieinfektion muss der Betroffene wegen der akuten Ansteckungsgefahr sofort von seiner Umgebung isoliert und die Therapie umgehend nach Einleiten der Diagnostik (Abstrichentnahme) begonnen werden.
Die medikamentöse Therapie stützt sich auf zwei Säulen. Zum einen erfolgt die Gabe eines Antitoxins, das in der Lage ist, noch nicht zellgebundenes Diphtherietoxin abzufangen und zu neutralisieren. Zum anderen erhält der Betroffene eine Antibiotikatherapie zumeist in Form von Penicillin (bei Penicillinallergie Erythromycin), um die toxinproduzierenden Bakterien selbst abzutöten.
Komplikationen
Die gefährlichste Komplikation während der akuten Krankheitsphase stellt die zum Teil massive Einengung bis zur kompletten Verlegung der Atemwege dar (Atemwegsobstruktion). In solchen Fällen ist in der Regel eine künstliche Beatmung notwendig.
Darüber hinaus schädigt das Diphtherietoxin vor allem Herzmuskulatur, Nerven- und Nierengewebe. So kann bereits 8 bis 10 Tage nach Krankheitsbeginn eine akute Entzündung des Herzmuskels auftreten (Frühmyokarditis). Aber auch mit einer Verzögerung von 4 bis 8 Wochen findet man diese als Spätkomplikation (Spätmyokarditis).
Entzündungen von Nervengewebe führen zu dauerhaften Schädigungen der betroffenen Nerven (Polyneuropathie), bevorzugt im Bereich der Rachen- und Gaumenmuskulatur, aber auch der Augenmuskeln. Daraus resultieren wiederum Schluck- und Sehstörungen.
Seltener sieht man Entzündungen der Nieren (Nephritis) mit der Gefahr des akuten Nierenversagens.
Trotz optimaler intensivmedizinischer Behandlung versterben etwa 5 bis 10 % der an Diphtherie Erkrankten. Bei verzögert eingeleiteter oder nicht optimaler Therapie erhöht sich die Sterblichkeitsrate auf bis zu 25 %.
Impfung
Den einzig zuverlässigen Schutz gegen eine Infektion mit Diphtheriebakterien bietet die Impfung mit einem sogenannten Toxoid, einer inaktivierten Form des Diphtherietoxins. Dieses regt das körpereigene Abwehrsystem (Immunsystem) zur Bildung spezifischer Abwehrzellen (Antikörper) an, die gegen das Bakteriengift gerichtet sind und dieses bei Bedarf abfangen können.
In der Regel erfolgt die Impfung in Form eines Kombinationsimpfstoffes gegen Diphtherie, Tetanus (= Wundstarrkrampf) und Pertussis (= Keuchhusten) im Rahmen der sogenannten Grundimmunisierung im Säuglings- bzw. Kleinkindalter.
Da der aufgebaute Schutz mit der Zeit nachlässt, ist eine regelmäßige Auffrischimpfung dringend zu empfehlen.
Für detaillierte Informationen zur Impfung wird auf die aktuellen Impfempfehlungen der STIKO (Ständige Impfkommission) des Robert Koch-Instituts (RKI) verwiesen.
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Weitere Informationen
Übersicht: Alle Krankheiten von A bis Z
Quellen/Redaktion
Autor:
Medizinisches Review:
Derzeit in Bearbeitung
Quellen:
Dr. Gerd Herold – Innere Medizin 2014
RKI-Ratgeber für Ärzte – Diphtherie
Duale Reihe – Pädiatrie
Duale Reihe – Mikrobiologie